Teil 4
Bahnpolizei greift ein
oder Harry, hol die Planierraupe!
Untertitel: Heiliger Benedikt - Waldemar ist eingenickt
"Harry, hol die Planierraupe!" Wie eine Schlange schlängelt sich der sympathische Tausendsassa über das Gleis bis zu dem metallernen Monstrum, welches neben dem Bahndamm seinen Mittagsschlaf zu halten scheint. Als Harry Katmirrzäkk den Anlasser betätigt, erwacht es widerwillig dröhnend und fauchend und setzt seine riesigen alles unter sich zermalmenden Gleisketten in Richtung KongoMüller, seiner Spießgesellen und der Schwarzbrennerei in Bewegung. "Make my day!" zischt zynisch der Bahnpolizeioberrat und legt damit Zeugnis von dem verheerenden Einfluss amerikanischer Gangsterfilme ab.
Das wütende Abwehrfeuer der Winchester prallt ohne Wirkung am stählernen Planierschild, welches Harry gleichsam wie eine mittelalterliche Rüstung vor den todbringenden Kugelhagel
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schützt, ab. Nur noch wenige Meter, dann wird der Koloss wie ein Racheengel der Verkündigung die Brennerei und die Brenner unter sich begraben und dem Destillationsspuk ein endgültiges Ende setzen. Doch da erkennt Bahnpolizeioberrat Stäppukattt bei einem erneuten Blick ins Scherenfernrohr seinen fatalen Irrtum. "Planierraupe halt!" erschallt seine Stimme wie die Posaunen von Jericho über das Gleisfeld. Die Brennerei befindet sich nicht auf DB-Betriebsgelände - die Bahnpolizei ist mithin nach EBO nicht zuständig! Wie von Geisterhand gestoppt kommt das rostige Maschinenungeheuer vor den Schuhspitzen des zu Stein erstarrten KongoMüller zum Stehen. Der Diesel erstirbt und eine gespenstige Ruhe legt sich über das Gleisfeld.
"Hallo Herr KongoMüller! Ein peinlicher Irrtum! Kein Grund zu erschrecken! Gutes Brennwetter, übrigens! ruft Bahnpolizeioberrat Stäppukattt, sichtlich bemüht die Situation zu entspannen und die Bahnpolizei aus den Schlagzeilen der Boulevard-Presse heraus zu halten,
dem steckbrieflich Gesuchten zu. Der hat mittlerweile seine alte Kaltblütigkeit wider erlangt: " Nichts für Ungut! Kann ja mal vorkommen! Ist ja Gott sei Dank nichts passiert! Gut zu wissen, dass die Bahnpolizei präsent ist! Schicke Uniform! So lernen wir uns wenigstens mal persönlich kennen! flötet er gewinnbringend zurück. " Kommen Sie doch mal rüber! Zu Honig, Quark und Buttermilch!" lädt er schließlich die Bahnpolizei ein. "Warum nicht?" denkt der Bahnpolizeioberrat, dem bei dieser netten Ansprache recht warm uns Herz geworden ist und macht sich zusammen mit Trude C. über den nahegelegenen BÜ auf den Weg. Als die beiden an der Brennerei ankommen, vertilgt H schon ein nahr- und schmackhaftes Marmeladenbrot und hört dementsprechend unfroh die tadelnden Worte seines Streifenführers: "Aber Harry, was machst Du denn mit dieser schrecklichen Raupe? Du hättest die Herren ja erschrecken können! Räum das sofort weg!" "Diese jungen Leute heute!
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Wenn man nicht alles selber macht...... . wendet er sich schulterzuckend an KongoMüller und begrüßt ihn mit einem kräftigen Handschlag, wie sich eben nur zwei gestandene Teufelskerle begrüßen können. "Hallöchen Wachtmeisterchen!" flötet es lieblich und zweistimmig hinter dem Brennofen hervor. Dort haben die beiden wohlgeratenen und -gewachsenen Töchter von KongoMüller, Sophie Charlotte und Annabell Victoria, Schutz vor dem gemeinen und gewalttätigen Angriff der Bahnpolizei gesucht. "Die Guten Kinder bereiten sich gerade auf ihr Noviziat im nahegelegenen Kloster ´Unserer lieben Frau unter den 7 Türken´ durch gottgefällige Meditation und das Sammeln seltener Wildkräuter am Bahndamm vor" erklärt KongoMüller nicht ohne väterlichen Stolz. In späteren Bahnpolizeiberichten wird allerdings immer wieder er begründete Anfangsverdacht geäußert werden, dass in besagtem Kloster unter dem Markennamen ´Liebfrauenmilch´ und unter
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dem Vorwand heilende Tinkturen zur Linderung der Gebrechen der Versehrten herzustellen, Hochprozentiges destilliert wird. "Waldemar!" entfährt es plötzlich Trude C., als sie am Tisch einen tiefschlafenden Herren erblickt. "Herr Waldemar hat heute an einer Verkostung unseres neuen Produktes `Gleisfeld Fit´ teilgenommen. Höchst bekömmlich und ganz mild im Abgang." beruhigt KongoMüller die aufgebrachte Trude C. "Leider ist er zur Zeit etwas unpässlich. Vermutlich ein herannahendes Tiefdruckgebiet!"
"Unpässlich? Das ich nicht lache! Besoffen ist der alte Saufkopp wieder!" entfährt es Trude in ihrer erdverbundenen Art,für die die Bewohner der Siedlung `Am Schwatten Kamp´ Land auf Land ab geliebt werden. "Sperren sie ihn am besten gleich ein!" "Aber hochverehrte gnädige Frau, wer wird sich denn so echauffieren?" schmalzt KongoMüller besorgt um die Zukunft
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eines seiner besten Kunden. "Ich bin untröstlich, sehr verehrter Herr KongoMüller, aber der Dienst ruft!" wechselt Bahnpolizeioberrat Stäppukattt geschickt das Thema. "Harry, hol den Wagen!" Gut gesagt, aber wie in Kleinmaischaid einen Streifenwagen holen, der in Rossau auf dem Schüttbahnsteig steht? Zum ersten Mal in dieser Geschichte scheint Harry, hol den Wagen ratlos zu sein. "Wie wäre es mit einem kleinen Spaziergang? Wir begleiten sie, Wachtmeisterchen!" flöten da die beiden angehenden Novizinnen. "Ein Spaziergang durch die friedliche Natur wird Sie auf andere Gedanken bringen, als kleine hilflose Mädchen mit ihrem großen Gerät zu erschrecken." "Jau! Jau! Jau! verfällt Harry, hol den Wagen wider in sein Bell-Leiden. Sie harken sich bei Harry mit einem spitzbübischen Lächeln, wie es nur angehende Novizinnen auf ihr Antlitz zaubern können, unter und machen sich, fromme
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Weisen pfeifend, auf den Weg nach Rossau. Dabei vergisst Sophie Charlotte nicht en passant mit einer blitzschnellen Handbewegung eine Schurwolldecke zu greifen. "Gegen Abend wird es doch schon etwas kühl in diesen dünnen und kurzen Novizinnenvorbereitungskleidchen" zwitschert sie kokett. Während das Trio in der Abenddämmerung verschwindet, hört man immer noch das Jau! Jau! Jau! aus der Weite des Gleisstranges.